Inhalt

Wirtschaftskonferenz 2025 in Brehna

Wissenschaft trifft Wirtschaft – oder doch nicht?

Am Freitag, dem 24. Oktober 2025, fand im Best Western Hotel in Brehna die diesjährige Wirtschaftskonferenz der Stadt Sandersdorf-Brehna statt.
Eingeladen hatten Bürgermeisterin Steffi Syska und Wirtschaftsförderer Denny Bremer. Zahlreiche Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung kamen, um gemeinsam die Frage zu diskutieren, wie sich die unterschiedlichen Logiken von Forschung, Wirtschaft und Politik so miteinander verbinden lassen, dass daraus nachhaltiger Fortschritt entsteht.

Durch den Abend führte mit Humor und Feingefühl Moderator Maik Schollkowsky, der von Beginn an versprach: „Heute wird nicht nur gedacht, sondern auch gelacht – aber vor allem vernetzt.“


Auftakt: Stadt und Wissenschaft als Partner

Bürgermeisterin Steffi Syska eröffnete die Konferenz und betonte, dass die Wissenschaft zunehmend eine Rolle spiele, wenn es um kommunale Herausforderungen gehe – etwa bei Stadtentwicklung, Energieversorgung oder Digitalisierung.
„Wir wollen keine Zuschauerin des Fortschritts sein, sondern Mitgestalterin“, sagte Syska und verwies auf laufende Kooperationen zwischen Stadtverwaltung und wissenschaftlichen Einrichtungen.

Eine begleitende Umfrage zum Thema „Schnittstellen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft“ brachte überraschende Ergebnisse: Viele regionale Unternehmen haben bereits Kontakte zu Hochschulen, wünschen sich aber mehr konkrete Austauschformate und leichtere Zugänge zu Forschungsprojekten.


Maik Schollkowsky: Von der Stadt zur Wissenschaft

Moderator Schollkowsky knüpfte daran an und schlug den Bogen zur Landesebene:
„Wenn Kommunen Brücken bauen, brauchen sie auf der anderen Seite die Forschung. Wer sorgt in Sachsen-Anhalt für das Fundament? Unser Wissenschaftsminister.“


Video zur Wirtschaftskonferenz:

Sachsen-Anhalt als Forschungsland: Prof. Dr. Armin Willingmann

Prof. Dr. Armin Willingmann, Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, zeichnete zunächst ein eindrucksvolles Bild der Hochschullandschaft:
Zwei Universitäten (Halle-Wittenberg, Magdeburg), vier Hochschulen für angewandte Wissenschaften (Anhalt, Harz, Magdeburg-Stendal, Merseburg) sowie drei weitere Hochschulen – darunter die Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle – bilden ein dichtes Netz mit rund 54.000 Studierenden, darunter 14 Prozent internationale Studierende.

Das Land investiere jährlich 1,1 Milliarden Euro in Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt – ein klares Bekenntnis zur Forschungsförderung. Besonders betonte Willingmann das KAT-Netzwerk (Kompetenznetzwerk für Angewandte und transferorientierte Forschung), das Hochschulen untereinander und mit Unternehmen vernetzt. So könne etwa ein Maschinenbauunternehmen, das sich an die Hochschule Harz wendet, über das Netzwerk an die passenden Fachkräfte in Köthen vermittelt werden – ein Beispiel dafür, wie Forschung in Sachsen-Anhalt funktioniert, auch über Fachgrenzen hinweg.

Ein interessanter Fakt, den Willingmann mit einem Augenzwinkern einwarf: „Kein Mitglied der Landesregierung hat in Sachsen-Anhalt studiert – wir waren also auch einmal ‚ausländische Studierende‘. Vielleicht erklärt das, warum wir so viel Wert auf Internationalität legen.“

Heute studieren Menschen aus aller Welt an den Hochschulen des Landes – ein Beweis für die Attraktivität und Durchlässigkeit des Hochschulsystems. Willingmann betonte, dass der permanente Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft entscheidend sei: „Wissenschaft muss durchlässig sein – sie muss ihre Ideen immer wieder in den Wettbewerb stellen. Das funktioniert an unseren Hochschulen sehr gut.“

Er erinnerte daran, dass Sachsen-Anhalt ein Land mit wenigen forschenden Unternehmen, aber starken Hochschulen ist. „Das eigentliche Forschungszentrum unseres Landes sind die Hochschulen – hier wird Neues entwickelt, hier entsteht Zukunft.“

Großen Applaus erhielt der Minister für seine Einordnung des Exzellenzwettbewerbs 2025:
Nach 25 Jahren konnte Sachsen-Anhalt einen historischen Erfolg erzielen. Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wurde mit zwei Projekten in der bundesweiten Exzellenzstrategie von Bund und Ländern gefördert – ein Durchbruch, der die Forschungslandschaft nachhaltig verändert.
Damit gehört Sachsen-Anhalt nun zu den Bundesländern mit einer offiziell als „exzellent“ anerkannten Universität. In den Jahren 2025 und 2026 werden bis zu 41 neue Forschungsanträge mit Landesmitteln unterstützt.

Willingmann zeigte sich stolz: „Damit gewinnen wir wieder nationale und internationale Aufmerksamkeit. Und ich finde diese Art von Durchmischung großartig – wenn Menschen aus dem Ausland zu uns kommen, hier studieren, forschen und bleiben, ist das der beste Beweis für eine offene, zukunftsorientierte Wissenschaft.“

Sein Fazit: Sachsen-Anhalt müsse diesen Weg fortsetzen, die Vernetzung zwischen Hochschulen, Kommunen und Betrieben weiter stärken – und damit zeigen, dass Innovation auch abseits der Metropolen erfolgreich sein kann.


Vom Hörsaal zur Werkbank: Prof. Dr. Jörg Bagdahn

Mit diesen Worten leitete Schollkowsky zur Praxis über:
„Wir haben gehört, wo geforscht wird – aber wie sieht’s dort aus, wo Ideen zu Produkten werden?“

Prof. Dr. Jörg Bagdahn, Präsident der Hochschule Anhalt, beschrieb die Herausforderungen und Erfolge der angewandten Forschung.
Deutschland sei im weltweiten Innovationsindex von Platz 9 auf 11 gefallen – vor allem wegen Defiziten in Digitalisierung, Gründungsförderung und Risikokapital. Dennoch wachse die Hochschule Anhalt gegen den Trend:
Die Drittmitteleinnahmen haben sich in zehn Jahren verdreifacht, die Hochschule gehört bundesweit zu den Top 10 aller HAWs, bezogen auf Mittel pro Professor sogar zu den Top 9.

Bagdahn stellte mehrere Forschungsprojekte mit Partnern aus der Region vor:

  • IBATOUR – Mobilität 4.0: Automatisierte Routenzüge auf Industriearealen (u. a. mit AGCO Hohenmölsen und Dögel GmbH).
  • EduXBot: Einsatz moderner Robotik in Pflege und Betreuung.
  • redRoh: Salzreduzierte Rohschinkenprodukte mit 50 % weniger Salz, gefördert vom BMWi.
  • NeuroActive: Gewinnung entzündungshemmender Wirkstoffe aus Mikroalgen.

In Köthen entstehen derzeit zwei große Forschungszentren – das InFonaL-Zentrum für nachhaltige Lebensmittelproduktion (36,4 Mio. € Investitionsvolumen, Fertigstellung 2027) und das Mitteldeutsche Algenzentrum.
Bagdahn betonte, dass die Hochschule bereits heute über mehr als 80 laufende Projekte und ein starkes Gründerzentrum („Found it!“) verfügt, aus dem seit 2012 über 140 erfolgreiche Unternehmensgründungen hervorgegangen sind, z.B. Tesvolt, relaxdays uvam.

„Wir warten regelrecht darauf, dass Firmen auf uns zukommen – wir haben die Köpfe und die Labore.“


Forschung trifft Industrie: Die Geschichte von mibe in Brehna

Wieder nahm Schollkowsky den Faden auf:
„Und wenn Forschung auf Werkbank trifft, dann reden wir über Brehna – über Disziplin, Qualität und darüber, wie aus einem Spatenstich eine Erfolgsgeschichte wurde.“

Dr. Hans-Georg Feldmeier, Geschäftsführer der mibe GmbH Arzneimittel (Teil der Dermapharm-Gruppe), schilderte eindrucksvoll die Entwicklung des Unternehmens.
Im Jahr 2002 fiel in Brehna der Spatenstich für ein neues Kapitel der Pharmaindustrie in Sachsen-Anhalt – heute beschäftigt mibe hier rund 700 Mitarbeitende.

„Ein Grund, warum wir in Brehna sind, war sicher der damalige Ortsbürgermeister Leopold Böhm. Er hat uns mit Offenheit, Weitsicht und verlässlichen Gesprächen überzeugt – ein Bürgermeister, der die richtigen Türen öffnete.“

Doch Böhm war nicht der einzige Standortfaktor.
Feldmeier nannte zwei weitere wesentliche Gründe für die Standortwahl:
Zum einen die starke Wissenschaftslandschaft in der Region – mit den Hochschulen Halle, Leipzig und Köthen in direkter Reichweite, die Forschung, Ausbildung und Fachkräfte sichern. Zum anderen die günstigen Rahmenbedingungen durch Fördermittelprogramme des Landes Sachsen-Anhalt und eine leistungsfähige Infrastruktur im Chemiedreieck Bitterfeld-Wolfen-Brehna, die Logistik und Produktion optimal verbindet.

Diese Mischung aus politischem Rückhalt, wissenschaftlicher Nähe und wirtschaftlicher Förderung sei entscheidend für den Erfolg des Unternehmens gewesen.

Heute ist mibe Teil der europaweit agierenden Dermapharm-Gruppe, die über 3.500 Mitarbeitende beschäftigt, mehr als 350 Arzneimittelzulassungen besitzt und täglich über 150.000 Einheiten produziert.
Rund 10 Prozent der Beschäftigten arbeiten in Forschung und Entwicklung. Das Unternehmen betreibt keine Lohnfertigung, sondern entwickelt und vertreibt eigene Markenprodukte, insbesondere in den Bereichen Arzneimittel, Nahrungsergänzung und dermatologische Präparate.

Feldmeier gab tiefe Einblicke in die Arbeitsweise und die Forschungspartnerschaften des Unternehmens.
Kooperationen bestehen mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der Universitätsklinik Leipzig, der Hochschule Anhalt (Köthen) sowie Partnern aus der regionalen Industrie – darunter SEW Bitterfeld und Orgentis Gatersleben.

„Wir sind kein Dienstleister für Dritte, sondern ein Entwickler aus Leidenschaft – und ein Arbeitgeber mit regionaler Verantwortung.“

Einen zentralen Punkt widmete Feldmeier der Zukunftssicherung: „Wir müssen die Wirkstoffproduktion in Europa wiederbeleben. Wir dürfen uns bei Arzneimitteln nicht von globalen Lieferketten abhängig machen. Das ist keine Frage der Ökonomie, sondern der Daseinsvorsorge.“

Mit Blick auf neue Herausforderungen – von Pandemie-Vorsorge bis Rohstoffverfügbarkeit – sprach er von einer „positiven Weichenstellung“, die Sachsen-Anhalt jetzt nutzen könne: durch Investitionen in Produktionskompetenz, Forschung und Standorttreue.


Sachsen-Anhalt – Land der Erfinder

Moderator Schollkowsky griff diesen Gedanken auf und erinnerte an den Pioniergeist des Landes:
„Sachsen-Anhalt war schon immer kreativ. Der Farbfilm stammt aus Wolfen, die Batterie aus Bitterfeld, die Homöopathie aus Köthen – und der Grundstoff für Chanel Nr. 5 hat ebenfalls hier seinen Ursprung.“
Mit einem Augenzwinkern ergänzte er: „Wenn das kein Beweis ist, dass in Sachsen-Anhalt Ideen Geschichte schreiben können!“


Austausch und Diskussion

Im Anschluss an die Vorträge stellte Schollkowsky die Ergebnisse der Umfrage vor und befragte spontan Gäste aus dem Publikum.
Hannes Sonntag (FEV) berichtete von guten Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Hochschulen. Lina Wolpers (PRISMA - Projektingenieure für Strategie und Management) hob hervor, wie wichtig studentische Projekte für Stadtentwicklung und Standortbindung seien.

In der abschließenden Podiumsdiskussion sprach Prof. Bagdahn über die Notwendigkeit, regionale Reallabore zu schaffen, um Hochschulen und Mittelstand enger zu verbinden.
Minister Willingmann betonte, dass Sachsen-Anhalt nur mit Mut, Offenheit und Förderung junger Talente dauerhaft erfolgreich sein könne.

„Wir haben die Köpfe, die Ideen und den Willen – jetzt müssen wir die Brücken bauen zwischen Labor, Werkbank und Rathaus.“


Fazit

Die Wirtschaftskonferenz 2025 war mehr als eine Fachveranstaltung: Sie zeigte, dass Wissenschaft und Wirtschaft in Sachsen-Anhalt längst keine Gegensätze mehr sind, sondern sich gegenseitig befruchten.
Die Stadt Sandersdorf-Brehna setzte mit diesem Abend ein klares Zeichen – für Vernetzung, Innovationskraft und Zukunftsoptimismus.
Oder, wie es Moderator Schollkowsky in seinem Schlusswort sagte:
„Wenn wir mutig bleiben, forschen, ausprobieren und zusammenhalten, dann ist Sachsen-Anhalt nicht nur Standort – sondern Zukunftsort.“

Stefanie Rückauf
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit/ Stadtmarketing

Impressionen der Wirtschaftskonferenz 2025